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Itinera - Übersetzung Lektion 51

"Sicher weißt auch du, Gaius, das ich Kommandant eines kleinen Postens in der Provinz Syria nahe der Grenze zu den Parthern war und diesen Posten mit meinen Soldaten gemeinsam verlassen habe, entgegen dem Befehl unseres Proconsuls. Aber wir waren sehr wenige, und die Feinde griffen uns mit stärkster Macht an. Also, obwohl mir verboten war, zu weichen, zog ich mich zurück - was hätte ich tun sollen, außer mich zurückzuziehen? Ich wurde angeklagt, wie ihr wißt, und damit ich nicht vor Gericht geladen werde, tauchte ich unter, begab mich als erstes nach Rom zu Chariklea..."

Aristoxenus unterbrach seinen Bruder: "Deren Mann es übel genommen hat, daß du dich den Christen, den Feinden des Kaisers, angeschlossen hast!"

Sokrates: "Ich habe mich ihnen nicht angeschlossen, aber du hast rech: Sie sind dem Kaiser feindlich gesonnen, und deshalb halfen sie mir, als ich von Rom wieder weg mußte. Denn die Zeit bei Fulvius, dem ich ziemlich mißfallen habe, war äußerst unerquicklich. Er warf mir vor, daß ich die römischen Fahnen, die ihm selbst etwas Heiliges sind, verlassen hätte und desertiert sei. Aus diesem Grund tauchte ich erneut unter und verfügte mich hierher, gleichsam ans Ende der Welt ... Briefe traute ich mich weder dir noch den Eltern zu schreiben, aus Furcht, sie könnten abgefangen werden.

Hier hat mich ein Weinhändler zum Chef seines nicht gerade leichten, aber einträglichen Geschäftes gemacht, und ich führte etwa zwei Jahre ein erträgliches Leben; schließlich habe ich sogar ein wunderschönes Mädchen geheiratet. Sie stammt von Barbaren ab, aber ihre Bildung ist ganz unbarbarisch. Sie heißt Bissula! Ihr werdet sie gleich sehen...

Aber laßt euch von dem schwarzen Tag erzählen, den ich erlebt habe: Neulich, unvermutet, als ich in Gedanken durch die Stadt schritt, erkannte mich ein Soldat, der mit mir in Syria gewesen war, mitten auf dem Forum und schleppte mich zum Richter, weil ich desertiert war. Heute aber begab sich etwas Wunderbares und nie zu Erhoffendes: Als ich zum Gericht kam, wurde dem Praetor, der den Prozeß leitete, das neueste Gesetz des Hadrian betreffend die Amnestie für vergangene Straftaten übergeben! Er las es, schloß den Prozeß und schickte mich nach Hause."

Aristoxenus: "Danken wir den Göttern und genießen wir unser Glück!"

*

Gaius, der bis jetzt geschwiegen hatte, drängte sich dazwischen: "Lest", sagte er, "den Spruch, den ein Witzbold auf die Mauer dort geschrieben hat:

Bäder, Wein und Liebe zerrütten uns.
Aber aufleben lassen uns Bäder, Wein und Liebe.
Ich habe, glaube ich, einen Platz gefunden, wo ich leben möchte!"

Sokrates aber unterbrach Gaius, ein wenig ernsthafter, und sagte: "Ich werde bald mit Bissula und meinem Bruder nach Ephesos aufbrechen, das soll dir gut zustatten kommen: Irgendwer wird in dieser Stadt hier meine Pflichten übernehmen müssen. Es würde dir gefallen, sagst du, hier in Trier zu leben? Wenn du willst, instruiere ich dich und setzte dich auf meinen Posten."
Von diesen Worte begeistert, rief Gaius: "Hast du womöglich gefragt, ob ich will?"
"Gut, sehr gut!", lachte Sokrates. "Jetzt aber schnell zu meiner Bissula!

Eilt euch, beeilt euch, jetzt wird gefeiert!
Jetzt gilt's zu trinken,
jetzt mit vergnügtem Tanzbein
die Erde zu stampfen..."

Itinera - Übersetzung Lektion 50

Sie spazierten entlang den Mauern des Städtchens und der Mosel, sahen Schiffe, mit Weinfässern beladen, hörten Ruderschläge und die lauten Stimmen der Schiffsleute. Sie befanden sich nicht weit von Thermen entfernt, welche aus ihren Kaminen rauchigen Dampf in die Luft stießen. Manche Menschen freilich sprangen gleich vom Ufer in den Fluß, um das fließende Wasse, den kühlen Fluß zu genießen.

Letztlich betraten sie die Stadt durch das Tor und erreichten binnen kurzem die große und eindrucksvolle Basilika. Vor dieser und auch in ihr wurde Markt gehalten. Verschiedene Stimmen mischten sich miteinander, so wie: "Schau! Germanische Importrüben! Kauft die Rüben, welche Kaiser Tiberius als einzige zu sich nahm!" - "Schaut das herrliche Glas, in Gallien hergestellt!" Man sah auch manche Germanen, die nach Trier gekommen waren, um aus Italien und Gallien importierte Waren zu kaufen. Sie schleppten Gefäße, Kleider und diverse Werkzeuge.

Plötzlich erhob sich ein Tumult. Aus einem Teil der Basilika, wo, wie es schien, ein Prozeß stattgefunden hatte, strömten gerade die Leute heraus. Irgendein Mann, aufgeregt und aufgebracht, lief aus der Basilika ins Freie und schrie laut: "Schaut da her, ihr Bürger! Schaut! Ihr seht einen von diesen - o Schande! - Verbrechern, die sich weigern, das Vaterland gegen die Feinde zu verteidigen! Einen von denen, die nichts anderes im Sinn haben, als wie sie ihr für die Gemeinschaft unnützes Leben behüten können...!"

Als er immer noch weiterschrie, unterbrach ihn ein in Toga gekleideter Würdenträger: "Was für ein Unsinn! Der hochweise Kaiser Hadrian hat mit seinem neuesten Gesetz die Schuld dieses Mannes getilgt, so wie auch die der anderen. Wir finden in ihm einen Kaiser, der das Krumme geraderichtet. Du aber halt den Mund!"

Als Aristoxenus jenen Mann, der mit dem Beamten aus der Basilika getreten war, sah, stutzte er zuerst, dann rief er: "Sokrates! Ha, Sokrates!", und mit den Worten "Ich habe meinen Bruder gefunden!" bahnte er sich einen Weg durch die Menge und umarmte den Bruder.

Itinera - Übersetzung Lektion 49

Einem Händler, der zwecks Handels auf Reisen war und eine gewisse Geldsumme bei sich trug, leistet irgendein Mann Gesellschaft und begann, wie es sich so ergibt, auf dem Weg ein Gespräch mit ihm, woraus resultierte, daß sie beschlossen, die Reise gemeinsam zu machen. Deshalb kehrten sie in demselben Gasthaus ein und wollten sich im selben Zimmer zur Ruhe begeben.

Der Wirt aber schlich sich, nachdem er den, der das Geld besaß, beobachtet hatte, sobald jene dank ihrer Müdigkeit, wie das so ist, besonders fest eingeschlafen waren, heimlich heran, zog das Schwert desjenigen, der kein Geld hatte, aus der Scheide und erschlug den zweiten, der Geld hatte. Er stahl die Münzen, steckte das Schwert in die Scheide und begab sich selbst zur Ruhe (!) in sein Bett.

Jener aber, mit dessen Schwert der Wirt den Händler getötet hatte, stand lange vor Sonnenaufgang auf und wollt eseinen Gefährten erst durch Anreden, dann durch Rufen wecken. Da er glaubte, daß dieser, weil er vom Schlaf umfangen sei, keine Antwort gebe, packte er sein Schwert und das Übrige, das er bei sich führte, und brach alleine auf.

Bald darauf schreit der Wirt, in seiner Herberge sei ein Mann erschlagen worden, und verfolgt mit einigen Gästen den, der vorhin aufgebrochen war, auf dem Weg. Er erwischt den Mann, zieht dessen Schwert aus der Scheide und findet es blutig. Der Mann wird in die Stadt gebracht und angeklagt.

Er wäre verurteilt worden, wenn nicht bald darauf der Wirt, bei einer anderen Missetat ertappt, zufällig auch jenes Mordes überführt worden wäre.

Itinera - Übersetzung Lektion 48

Der Händler: "Was soll ich tun? Ich treibe gerne Handel mit den Hermunduren, das ist ein Germanenstamm. Dieser Stamm ist den Römern treu, daher haben sie Handel nicht nur am Donauufer, wie die meisten Völker der Germanen, sondern auch hier tief im Hinterland in der reichen Provinz Raetia. Allenthalben kommen sie ohne Bewachung herüber; und während wir den anderen Stämmen nur unsere Waffen und unsere Festungen zeigen, haben wir diesen hier unsere Häuser und Villen geöffnet."

Aristoxenus: "Es ist doch sicherlich gefährlich, mit barbarischen Stämmen Handel zu treiben?"

Der Händler: "Das ist mein Geschäft. Durch Ein- und Verkauf verdiene ich mein Geld - indem ich Gefäße, Schmuck, Kleider verkaufe, Felle, Bernstein und blondes Haar einkaufe, manchmal auch Sklaven. Ich bin ein Händler, also habe ich zu handeln."

Aristoxenus: "Durch Kauf und Verkauf von Sklaven? Ist denn jetzt nicht Friede mit den Germanen?"

Der Händler: "Du wirst Germanen finden, die, um es so zu sagen, sich selbst in freiwillige Sklaverei begeben. Sie spielen nämlich mit derartiger Unvorsichtigkeit Würfel, daß sie, wenn alles futsch ist, mit einem letzten Wurf um ihre Freiehit und um ihre Person spielen! Der Besiegte geht in die Sklaverei un duldet es, daß er gebunden wird und zum Verkauf gelangt. Worüber staunt ihr? Verträge müssen gehalten werden - auch von Barbaren, die übermütig Würfel spielen!

Aber um dir ernsthafter zu antworten, Aristoxenus: Der Handel in diesem Gebiet ist sicher gelegentlich gefährlich, aber anders, als ihr euch vorstellt. Ich will ein Beispiel bringen: Da in Italien Mangel an Sklaven herrscht, reiste ich neulich in die Provinz Rätien um Sklaven zu kaufen - aber ich fand nicht einmal einen einzigen!"

Gaius: "...keinen, der sich beim Würfelspiel selbst verlor?"

Der Händler (lachend): "Genau! Um also nicht einen noch größeren Schaden zu erleiden, kaufte ich Schinken, die in Germanien wirklich vorzüglich sind. Als ich aber nach Italien zurückkam, waren, wo auch immer ich hinkam, die Märkte voll - mit Schinken! Man hätte meinen können, daß die Germanen ihre sämtlichen Schweine mit einem einzigen Hieb abgestochen hätten. Es war zum Verzweifeln! Aber ich sage immer: Nech einer schlechten Ernte muß man säen. Wie ihr seht, bin ich neuerlich aufgebrochen. Ich werde, wenn schon keine Sklaven, Bären oder andere wilde Tiere anschaffen, die das Volk braucht zur Veranstaltung von Spielen!"

Itinera - Übersetzung Lektion 47

Aristoxenus: Die Straße ist exzellent und mit großem Geschick befestigt. Ich befürchte nur, daß neue Karthager, neue Gallier heute leben, die irgendwann auf dieser schön gepflegten Straße Italien und Rom angreifen können: die Germanen."

Gaius: "Glaubst du das wirklich? Die Germanen sollen von erstaunlich andersgearteter Natur sein, sagt man: Ihre Leiber sind nur zum Angriff kräftig - gegenüber Arbeit und Anstrengung zeigen sie hingegen nicht die gleiche Ausdauer. Ich glaube nicht, daß diese Volk die Alpen überschreiten wird! Während sie Kälte und Hunger aushalten, ertragen sie Durst und Hitze nicht. Ich für mein Teil halte die Kälte, wie sie jetzt und hier herrscht, kaum aus, den Germanen wiederum wäre sicherlich die Hitze lästig, wenn sie in Italien wären. Ich habe keine Angst vor den Germanen."

Aristoxenus: "Sie sind in vielen Dingen erstaunlich andersgeartet; vor allem anderen aber lieben sie Waffen und Krieg. Privat wie öffentlich unternehmen sie nichts unbewaffnet. Auch zur Versammlung kommen die Männer bewaffnet zusammen: Sie versammeln sich nämlich an bestimmten Tagen, wenn der Mond entweder voll oder neu ist (denn sie sind abergläubisch), zur Beratung. Wenn die Meinung desjenigen, der im Rat gesprochen hat, nicht gefallen hat, lehnen sie sie mit Grunzen ab; wenn sie aber Gefallen fand, schlagen sie ihre Spieße zusammen: die ehrenvollste Art des Beifalls ist, jemanden mithilfe der Waffen zu loben."

Gaius: "Schön, mögen jene Männer sehr tapfer und nach Waffen verrückt sein - sicherlich aber hassen ihre Frauen Waffen und Krieg genauso wie die römischen Frauen!"

Aristoxenus: "Eben nicht! Wenn ihre Gatten und Söhne kämpfen, sind dei Familien und Verwandten in der Nähe: Die Kämpfenden können das Heulen der Frauen, das Plärren der Kinder hören; ihren Müttern und Frauen zeigen die Männer ihre Wunden, und jene zögern nicht, die Wunden zu zählen; sie bringen den Kämpfenden auch Verpflegung. Jener Varus vertraute ihnen zu sehr, und büßte, zusammen mit seinen Soldaten, in einer furchtbaren Niederlage die Strafe seiner Leichtgläubigkeit. Wo man mit der Faust handelt, sind Friede und Recht leere Worte. - Daher stimme ich dir nicht zu: Ich fürchte die Germanen."

Itinera - Übersetzung Lektion 46

(1)
Als die Punier die Höhe der Berge und den sozusagen in den Himmel übergehenden Schnee aus der Nähe erblickten, wurden sie von Angst und Schrecken ergriffen. Die Soldaten schickten daher Sprecher zu Hannibal, die den Feldherrn bitten sollten, von seinem Vorhaben abzulassen und die Alpen, Berge, die dem Himmel und den Göttern nahe reichten, nicht zu übersteigen. Sie fügten hinzu: "Nahezu nackt sind die Gipfel, wie wir hörten, und was es an Weide gibt, bedeckt der Schnee."

Ihnen antwortete drauf Hannibal: "Mit Sicherheit berührt kein Land den Himmel! Berge und Schluchten, die für einzelne Menschen durchquerbar sind, sind auch für unser Heer nicht unbewältigbar. Oder glaubt ihr, daß diese Boten hier, die heute über die Alpen in unser Lager kamen, auf Flügeln die Alpen in der Luft überquert haben?

Mögen die Gipfel nackt sein - all unseren Bedarf werden wir mit uns tragen!"
Mit derartigen Reden erreichte er, daß die Soldaten ihre Furcht bleibenließen.

(2)
Als die Bergbewohner einen Paß mit einer gewaltigen Menschenmenge besetzt hatten, verdichtete Hannibal trotzdem seine Truppen und griff die Feinde an. Mit derartiger Kraft fiel er über die in der Kriegskunst Unerfahrenen her, daß die Älpler vom Paß vertrieben wurden. Von da an überfielen die Bergleute, eher in der Art von Straßenräuberei als von Krieg, bald die Vorhut, bald die Nachhut und fügten den Puniern großen Schaden zu. Die Elephanten aber waren, obwohl sie auf den engen und steilen Wegen nur mit großem Zeitverlust geführt werden konnten, den Puniern doch sehr nützlich, weil die Bergbewohner sich vor den Ungewohnten Tieren fürchteten.

(3)
Am neunten Tag gelangte man auf die Paßhöhe der Alpen. Zwei Tage wurde auf der Höhe gelagert, damit den von Anstrengung und Kampf erschöpften Soldaten Ruhe gegönnt werde.

Als dann die Signale ertönten und die Kolonne im ersten Morgenlicht losmarschierte, als Überdruß und Verzweiflung aus den Gesichtern aller sprachen, befahl Hannibal seinen Soldaten, auf einem bestimmten Bergspitz, von wo aus ein weiter und breiter Rundblick war, haltzumachen. Er zeigte ihnen Italien und die Fluren am Fuße der Alpen. Jetzt würden sie die Mauern nicht nur Italiens, sondern auch die der Stadt Rom übersteigen, versicherte er.

Der Zug begann dann weiterzurücken. Der Marsch war aber weitaus schwieriger als beim Anstieg, denn alle Wege waren steil, schneebedeckt, eng und rutschig, sodaß die Soldaten sich kaum vor Stürzen bewahren konnten, einer über den anderen fielen, und die Saumtiere auf die Menschen drauf fielen.

Itinera - Übersetzung Lektion 45

Rubellius legte dar: "Zweifellos hat Octavian das Reich und den Frieden gesichert; zu recht verehren ihn viele. Als junger Mann aber im Bürgerkrieg war er von extremer Strenge und sogar Grausamkeit. Die Ermordung Ciceros hat er, wenn er sie auch nicht wollte, so doch sicher nicht verhindert. Daß er als Princeps den Frieden wiederhergestellt hat, habe ich schon gesagt, aber er förderte auch Kunst und Literatur sehr: Die Dichtkunst florierte unter Augustus' Herrschaft in Rom wundervoll. Jetzt liest man praktisch überall im Reich die Gedichte des Horaz, des Vergil, des Ovid."

Der Literaturkenner verstummte, dann fuhr er fort: "Aber kehren wir zu Vergil und Octavian zurück: Auch Vergil hat Octavian unterstützt; in seinem Epos "Aeneis" erzählt er nämlich von Aeneas, der nach der Zerstörung Trojas, mit seinen trojanischen Gefährten über das Meer irrte. Schließlich erreichte er Italien, seine neue Heimat...

Hört diese herrlichen Verse, mit denen die Trojaner bei Vergil Italien begrüßen:
Schon leuchtete das Morgenrot empor und sanken die Sterne,
als in der Ferne wir undeutlich Hügel erkennen und das flache
Italien. "Italien!" ruft als erster Achates,
Italien begrüßen die Gefährten mit fröhlichem Lärmen...
Jener Aeneas aber ist der Urahn des Octavian, den Vergil auf diese Art, zusammen mit Aeneas, in seinem Lied besang.

Im Sterben befahl Vergil, die Aeneis zu verbrennen; er fürchtete nämlich, sie wäre unvollendet oder sogar fehlerhaft. Nach dem Tod Vergils aber wurde sie auf Anordnung des Augustus verbessert und ediert."

Itinera - Übersetzung Lektion 44

"Wenn ihr euch für jene unglücklichen Zeiten interessiertet, meine Freunde", fuhr Rubellius fort, "könntet ihr sehr vieles und Berühmtes über jene Zeit bei Cicero finden. Der machte sich nämlich große Sorgen um die Lage des Staates. In seinen Büchern "De officiis" schreibt er etwa folgendes:

"Solange die Herrschaft des römischen Volkes durch Wohltaten aufrechterhalten wurde, nicht durch Unrecht - wie heutzutage -, solange Kriege (nur) entweder für unsere Verbündeten oder um die Existenz unserer Herrschaft geführt wurden, waren Senat und Volk von Rom ein Hafen der Nationen und eine Zuflucht der Völker. In unserer Zeit aber wurden fremde Völker mißhandelt und vernichtet. Viel Unrecht, das gegen Bürger wie auch gegen unsere Verbündeten begangen wurde, könnte ich aufzählen.

Wenn aber wir Senatoren nicht diese Verbrechen der Verbündeten bzw. Bürger ungestraft erduldet hätten, hätte sich niemals derartige Maßlosigkeit in einem einzigen Mann konzentriert, der jetzt gegen seine eigene Heimat Krieg begonnen hat."

Itinera - Übersetzung Lektion 43

Rubellius sagte vor der Brücke über einen kleinen Fluß: "Sooft ich zu dieser Brücke gelange, kommen mir die Dinge in den Sinn, die ich über diese furchtbaren Bürgerkriege gehört habe. Ich danke den Göttern, daß ich in unserer jetzigen Pax Romana, in unseren heutigen Zeiten lebe. Ich hoffe, daß jene Bürgerkriege nie wiederkehren!"

Gaius: "Aber wieso kommen dir die Bürgerkriege ausgerechnet an dieser Stelle in den Sinn?"

Rubellius: "Auf ebendieser Brücke überschritt Caesar den Rubicon, um den Bürgerkrieg nach Italien zu tragen; hier sprach er jene allgemein bekannten Worte: "Der Würfel ist geworfen. Auf, wohin die Zeichen der Götter und die Ungerechtigkeit des Feindes rufen!" Hätte er mit eigenen Augen gesehen, was kommen würde, vielleicht hätte er diese Worte nicht gesprochen und keinen so grausamen Krieg gegen seine Heimat begonnen."

Er schwieg vor sich hin, dann sprach er: "Wärest du doch jetzt da, Caesar! Ich zumindest würde, wenn ich zugleich hier wäre, dir und deinen Soldaten die Worte Horazens zurufen: "Wohin, wohin stürzt ihr, Verbrecher?""

Gaius: "Zu recht fuhr der Dichter jene an, die ihrem Volk Krieg und Tod brachten."

Aristoxenus: "Und mit Recht wäre auch jener Führer des Bürgerkrieges von dir gemahnt worden, nicht Bürger gegen Bürger zu hetzen - ich fürchte freilich, daß jener Feldherr, so sehr auf einen Umsturz aus, das Heil der Bürger ignoriert hätte."

Rubellius: "Das fürchte ich auch. Der König befiehlt, das Volk gehorcht, oder: "Was auch die Könige Irres ersinnen - büßen müssen es die Griechen."

Itinera - Übersetzung Lektion 42

Während Aristoxenus noch die Inschrift entzifferte, näherte sich eine Frau dem Heiligtum. Sobald sie eingetreten war, begann sie mit lauter Stimme zu beten:

"Ich bete für die Genesung meines kranken Sohnes Faustus: Gott Mithras, mögest du ihn heilen! Möge mein Sohn Faustus nicht sterben! Unbesiegbarer Mithras! So wie du diesen sehr starken und gefährlichen Stier getötet hast, so mögest du die gefährliche und sehr heftige Krankheit meines Sohnes Faustus besiegen. Ich bitte ind flehe: Zeige mir deine göttliche Macht, du Helfer! Strahlende Sonne! Mögest du uns gnädig sein, Krankheiten und Schaden fernhalten! Führe uns in dein Licht, zögere nicht!"

Da der Vorraum finster war, hatte Aristoxenus das Kommen zweier Männer nicht bemerkt, die vor dem Heiligtum stehengeblieben waren. Der eine von ihnen rief: "Böser Aberglaube! Die da glaubt, sie bete zu Gott, und betet doch zu nichts!"

Der andere: "Ich würde meinen, daß unser Christus, Gottes Sohn und wahre Sonne der Gerechtigkeit, diesen "unbesieglichen Sol" binnen weniger Jahre besiegen wird und uns, die wir an den wahren Gott glauben, von diesem Übel befreien wird."

Itinera - Übersetzung Lektion 41

Später segelte er entlang Asien und über die Inseln nach Griechenland und empfing die Eleusinischen Weihen, verbrachte lange Zeit bei den Athenern. Darauf segelte er nach Sizilien, wo er den Ätna bestieg, weil er den Aufgang der Sonne sehen wollte. Von dort gelangte er nach Rom, setzte von Rom nach Afrika über und ließ den afrikanischen Provinzen viele Wohltaten angedeihen. Praktisch keiner von den Kaisern hat so viele Länder dermaßen schnell durchreist! Dann kehrte er nach Rom zurück, brach sofort wieder in den Osten auf, nahm seinen Weg über Athen und weihte die Bauten, die er bei den Athenern begonnen hatte, ein, z. B. den Tempel des Olympischen Zeus und einen Altar für sich selbst. Auf die gleiche Weise weihte er auch auf seinem Zug durch Asia Tempel seines Namens ein. [...]
Auf dem Sterbelager soll er folgende Verse gemacht haben:
Seelchen du, ein bißchen unbeständig, ein bißchen zärtlich,
Gast und Begleiter des Körpers,
die du jetzt fortgehen wirst in Gefilde,
ein bißchen blaß, erstarrt, ein bißchen nackt,
und nicht mehr, wie es sonst deine Art, scherzen wirst ...

Itinera - Übersetzung Lektion 40

Der Soldat: "Plautius, der Chef der Parkanlagen, ist kein schlechter Mensch, aber ein furchtbarer Schwätzer! Ich glaube, er hat sein Amt aus genau diesem Grund inne, weil er von Kräutern und Bäumen nicht unterbrochen werden kann, und aus demselben Grund liebt er auch Bücher: Beim Lesen braucht er nämlich nicht den Mund zu halten. - Da sind wir schon. Hier ist euer Freund."
Plautius begrüßt Gaius: "Grüß dich, Gaius! Ich freue mich, daß du hierhergekommen bist! Und daß du Aristoxenus bist, weiß ich schon. Ich werde euch gerne in den Gärten des Kaisers Herumführen, wenn ihr wollt. Sicher werdet ihr eure Freude haben über die Schönheiten unserer Parks. Hadrian hat diese Villa ja mit feinster Raffinesse angelegt! Kennt ihr Tempe - jenes berühmte Tal in Griechenland? Sicher kennt ihr es. In diesen Parks hier werde ich euch ein zweites Tempetal zeigen! Wir haben aber nicht nur Tempe nachgeahmt, sondern auch andere besondere Orte Griechenlands und Ägyptens. Folgt mir!"
Nach diesen und noch anderen Worten führte er die Freunde in ein kleines Tal, durch das ein lieblicher Bach floß.
"Ist nicht auch diese Stelle wunderschön? Hier pflegt Hadrian alleine spazierenzugehen ..." - Während Plautius noch redete, kam ein Soldat herbeigelaufen und unterbrach ihn: "Plautius, Plautius, wo bist du? Der Kaiser wünscht dein Anwesenheit und daß du seine Gäste herumführst!"
Plautius übergab Gaius und Aristoxenus dem Wächter, der sie hergebracht hatte, und entschwebte: "Wartet auf mich, wenn es euch recht ist! Ich werde bald zurückkommen ... gleich bin ich wieder da ..."
"Wo findet man den Kaiser?", fragt Gaius den Soldaten, "Ist es möglich, den Kaiser aus der Nähe zu sehen und zu grüßen?"
Der Soldat: "Tut mir leid, das ist nicht machbar. Aber morgen wird es eine Gelegenheit geben, den Kaiser zu sehen. Er wird nämlich in Rom öffentlich im Junotempel eine Opferfeier zelebrieren, dort werdet ihr ihn finden. Auch die Senatoren werden vollzählig anwesend sein und dem Kaiser ihre Aufwartung machen. Unmittelbar nachdem der Princeps das Opfer dargebracht hat, wird er abreisen, um die Provinz Asia zu inspizieren. Ich nehme an, daß wir zwei oder drei Monate durch die Provinz streifen werden: Furchtbar hohe Berge werden wir besteigen, weit und breit werden wir die Landstriche durchwandern, wie es so seine Art ist - zu Fuß! Grauenhaft! Manchmal fragt man sich umsonst nach der Weisheit des Kaisers ..."
Und am Tor sagte er: "Lebt wohl! Vielleicht werdet ihr morgen mich und den Kaiser sehen!"

Itinera - Übersetzung Lektion 39

Gaius nahm die Rolle entgegen, zog sich in eine Ecke zurück, und las:
An ein Gewässer waren ein Wolf und ein Lamm gekommen,
vom Durst getrieben. Oberhalb stand der Wolf,
ein gutes Stück stromabwärts das Lamm. Von seinem verbrecherischen Schlund
verleitet kreïerte der Räuber dann einen Grund zum Streit:
"Wieso", sprach er, "hast du mir, wo ich doch trinken will, das Wasser
aufgewühlt?" - Das Kuscheltier dagegen, angsterfüllt:
"Wie, bitte, kann ich das tun, worüber du dich beklagst, o Wolf?
Von dir zu mir strömt das Trinkwasser herab!"
Von der Gewalt der Tatsachen übertrumpft, knurrte jener:
"Grad vor sechs Monaten hast du mich beleidigt!"
Das Lamm erwiderte: "Da war ich noch gar nicht geboren!"
"Dann hat eben , verdammt, dein Vater mich beleidigt!",
sagte der, packte es und zerriß es - ein ungerechter Mord.
Diese Fabel ist wegen jener Menschen geschrieben,
die mit erfundenen Gründen Unschuldige bedrängen.

Itinera - Übersetzung Lektion 38

Während jener Erzieher und der Schüler noch debattierten, betrat ein kahlköpfiger Greis die Bibliothek und begann zu verkünden:
"Ich bin ein Poet und, wie ich hoffe, mit nicht eben kleinem Genie begabt. "Warum dann", fragt ihr eventuell, "bist du so grauenhaft angezogen?" Genau deswegen: Die Liebe zu seinem Talent hat noch niemanden je reicher gemacht, als er vorher war. Das Leben ist im Prinzip für alle Menschen schwer, aber am schwersten ist es für Poeten!"
Kaum hatte er mit vollerer Stimme zu rezitieren begonnen:
"Inmitten von Wassern trinkt nicht, pflückt nicht die hangenden Früchte
Tantalus, der unselige, den sein Fluch bedrückt...",
als einige aus der Schar der Umstehenden schrien: "Geh weg! Verschwinde! Scher dich zum Teufel! Wir wollen deine elendigen Verse nicht hören! Dein Talent ist jämmerlichst!" Und einer rollte ein kleines Buch auf und trug unter Gelächter vor: "Hör zu, du göttlicher Dichter, in dieser Geschichte geht's um dich:
"An dieses Haupt muß keinen Friseur man rufen:
Besser kann dich, Phoebus, rasieren ein Schwamm."
Die Anwesenden lachten; der Glatzkopf aber bedeckte sein Haupt mit den Händen und floh aus der Bibliothek.

Itinera - Übersetzung Lektion 37

"Ihr seht hier", sagte jener Mann, "die Statuen des Cornelius Nepos und des Titus Livius, welche Herennius Severus, unser Bibliotheksdirektor und von allen Menschen, die ich kenne, der gelehrteste und gebildetste, vor kurzem hier aufstellen ließ!" Dann zeigte er mit dem Finger auf bestimmte Bücherschränke: "In diesen Schränken liegen ausgezeichnete Bücher über die Redekunst."
Daraufhin nahm er, sehr sorgfältig, etliche Rollen aus einem Regal: "Schaut her", sagte er mit großer Würde, "die Bücher Ciceros "De oratore"! Er ist der edelste von allen unseren Rednern und der gefeiertste der ganzen Welt!"
Indem er eine andere Rolle hervorholte, meinte er: "Weiters betrachtet diese Bücher Quintillians "De institutione oratoria"! Das war ein Redner von keineswegs geringer Begabung - doch zweifellos ist Cicero mehr wert als Quintillian ... und Quintillian bei weitem mehr als unser Zeitgenosse Tacitus, dessen "Dialogus de oratoribus" - schaut, hier! - ich gar nicht schätze."
"Wert, mehr wert, am allermeisten wert!", rief jetzt einer von den Schülern aus; "Warum teilst du die Redner ein in bessere und schlechtere? Ich für mein Teil schätze so wie sehr viele Tacitus mehr als Cicero ... diesen Redner einer vergangenen Zeit. Seinen Zeitgenossen hat er gedient, aber nicht seiner Nachwelt."
Der Erzieher aber antwortete: "Ich kann dir nicht zustimmen! Um die Worte Ciceros zu gebrauchen, eines Mannes, der sich in hervorragender Weise um sein Land und um die Literatur verdient gemacht hat, sage ich: "Gerade die besten dienen der Nachwelt am meisten!" Von allen Dingen ist nichts besser als Ciceros Redekunst, nichts ist schöner!"

Itinera - Übersetzung Lektion 36

Weil die Sonne herabbrannte, schützten sich die meisten Zuschauer mit Kopfbedeckungen vor der Hitze. Verheiratete Frauen und Ammen schützten Kinder mit Sonnenschirmen. Ein Großteil des Theaters wurde von einem Sonnensegel bedeckt.
Während die Zuschauer in einem fort Zurufe wechselten, sangen und flüsterten, trat endlich ein Schauspieler auf und trug mit lauter Stimme und ausgestreckten Armen folgendes vor:
"Paßt auf! Denn nun beginne ich mit der Inhaltsangabe!",
und als viele riefen: "Fangt an! Warum fängt die Komödie nicht an?", rief er:
"Seid still und schweigt und konzentriert euch!
Zu lauschen heißt euch der Theaterdirektor,
diejenigen, die hungrig sind, und die, die gesättigt kamen!"
Da der Tumult sich immer noch nicht ganz gelegt hatte, drohte er dem Volk auch:
"Erhebe dich, Herold, bring das Volk zur Aufmerksamkeit!"
Und weil einige Kinder auch jetzt noch plärrten, verkündete er:
"Ammen haben kleine Kinder
zu Hause zu umsorgen, nicht im Theater!"
Als es still geworden war, begann die Komödie.
Es ging um leichtsinnige junge Männer, um strenge Väter und schlaue Sklaven, die ihren Herren einerseits halfen, sie andererseits hereinlegten.
Das Schauspiel gefiel dem gesamten Publikum; nicht nur einmal wurde mitten in der Szene geklatscht: "Bravo!", riefen die einen auf Griechisch, andere auf Lateinisch: "Da capo!"
Nach dem Ende der Komödie applaudierten alle ohne Ende, dienSchauspieler wurden ein ums andere Mal herausgerufen und wiederholten jene Szene, die der Mehrheit am besten gefallen hatte.

Itinera - Übersetzung Lektion 35

"In Rom finden sich drei Theater, in denen Komödien bzw. Tragödien gegeben werden. Heute wird die berühmte Komödie "Mostellaria" des Plautus im Marcellustheater aufgeführt. Es ist sehr groß: Zehntausend Menschen faßt es, es gibt Vorhänge und Sonnensegel. Errichtet wurde es von Kaiser Augustus zu Ehren des Marcellus, seines Schwiegersohnes, und von diesem wiederum dem römischen Volk gewidmet. Überdies ist es auch mit einzigartigen Kunstwerken geschmückt - denk daran, dich umzuschauen! Die Bürger schätzen dieses Theater mehr als die anderen. Auch Kaiser Nero übernahm hier gelegentlich die Rolle eines Schauspielers oder Sängers."
Gaius: "Kaiser Nero hat selbst vor allem Volk Theater gespielt und sogar gesungen? War er denn in der Sangeskunst ausgebildet?"
Fulvius: "Ihm kam es so vor. Wenn er sang, war es nicht erlaubt, das Theater zu verlassen. War das Theater voll, wurden die Tore versperrt, seine Anhänger - irgendwelche Leute, die man mit Geld bestochen hatte - jubelten dem singenden Nero zu, und es waren Wächter da, die die Zuschauer beobachteten; sie durften nicht flüstern und auch nicht mit den Füßen stampfen. Es heißt, daß Manche sich tot stellten und von den Wächtern hinausgetragen wurden. Dann - wiederauferstanden - begaben sie sich vergnügt in den Zirkus oder ins Amphitheater; sie zogen nach eigenen Aussagen das Gebrüll der Löwen dem singenden Nero vor. Es ist kaum zu glauben, aber unter Kaiser Nero geschah allerhand Unerhörtes."

Itinera - Übersetzung Lektion 34

Der Gott nickte Gewährung, obwohl er über diesen Wunsch traurig war. Midas entfernte sich voll Glück und freut sich über das schlechte Geschenk:
Er probierte die Erfüllung des Versprochenen, indem er Einzelnes berührte,
und, da er noch kein rechtes Vertrauen hat, reißt er einen grünenden Zweig ab:
golden wurde der Zweig
Vom Boden hebt er einen Stein auf: Auch der Stein schimmert von Gold
(...) Getreideähren pflückte er ab:
seine Ernte war golden. Er hält einen vom Baum gepflückten Apfel:
Die Früchte werden golden wie dei Äpfel der Hesperiden. Sobald er seine Hände in einem Gewässer wusch, funkelte das Wasser, das von seinen Händen floß, von Gold.
Kaum erfaßt er selbst seine Aussichten, golden stellt er sich
alles vor. In seinem Freudentaumel richten ihm die Diener die Tafel,
beladen mit Speisen...
Doch da - er mochte mit seiner Hand die Speisen berührt haben oder die Weinpokale: Alles wurde zu Gold.
Bestürzt von dem neuen Unheil, reich und arm zugleich,
will er vor seinen Schätzen fliehen, und was er eben noch sich gewünscht hatte, haßt er.
Kein Überfluß stillt seinen Hunger; trockener Durst verbrennt ihm
die Kehle...
Zum Himmel erhob er die Hände und:
"Verzeih, Vater Bacchus! Ich habe gefehlt!", rief er,
"doch erbarme dich, bitte, und entreiße mich meinem glänzenden
Elend!"
Gnädig nahm Bacchus die gewährte Gabe zurück und sprach: "Geh zur Quelle des Pactolus: dort tauche deinen Leib gänzlich ins Wasser, und unbedingt wird die gold(schaffende) Kraft auf das Wasser übergehen."

Itinera - Übersetzung Lektion 33

"Leider! Das Versteck deines Bruders Sokrates kenne ich nicht. Er kam hierher im Jänner letzten Jahres und wohnte zwei Monate bei uns. In eben diesen Monaten besuchte er auch des öfteren die Zusammenkünfte jener "Christiani" - ich habe ihm abgeraten, aber vergeblich. Es gab viele Dispute, und ich überzeugte ihn, diesem unsinnigen Aberglauben nicht zu folgen. Irgendwann reiste er dann ab in die Provinzen jenseits der Alpen."
"Oh ich Armer!", rief Aristoxenus aus, "Die Suche geht also weiter! Geschehenes kann man nicht ungeschehen machen! Aber sag mir: Warum hast du meinem Bruder abgeraten, den Zusammenkünften der Christen beizuwohnen?"
Fulvius antwortete nicht ohne Strenge: "In der heutigen Zeit, wo fast alles in Frage gestellt wurde, muß man die von den Vorfahren überlieferten Götter verehren. Die Christen nennen unsere Religion "Greisenmärchen"; sie behaupten, wir wüßten nichts über den Gott oder die Götter. Doch wer von den Menschen weiß schun etwas Sicheres über die Götter? Das eine freilich nehme ich für etwas Fixes: Daß es Götter gibt, das leugnet sicher niemand."
Aristoxenus: "Wirklich niemand? Wenn ich mich richtig erinnere, hat euer Lukrez in seiner Verachtung für die Götter folgendes geschrieben:
Die Religion zeigte der Welt vom Himmel herab ihr Haupt
mit drohender Fratze von oben die Menschen bedrohend - ?"
Fulvius hielt dem entgegen: "Nach unserer Erinnerung hat niemend geglaubt, daß Jupiter, in einen Stier verwandelt, mit Europa sich auf die Insel Kreta begeben oder auch, in einen Adler verwandelt, den Knaben Ganymed in den Olymp entführt habe - das ist in Wahrheit nie passiert, das sind wirklich Märchen. Doch ein göttlicher Geist wohnt in uns, Beobachter und Wächter von Gut und Böse. So wie der von und behandelt wird, so behandelt er selbst uns. Ohne Gott aber ist keiner ein guter Mensch. Oder kann sich jemand über sein Schicksal erheben, wenn nicht mit Seiner Unterstützung? Er ist es, der große und erhabene Gedanken eingibt. In jedem von uns ‚wohnt ein Gott, wenn's auch nicht sicher ist, welcher.'
Diesen Gott nennen die einen von uns den König Jupiter, die anderen Mars, die anderen Ceres, andere wieder mit anderen Namen."

Itinera - Übersetzung Lektion 32

Ein germanischer Sklave weigerte sich, die spät ankommenden Freunde ins Haus zu führen. Chariclea aber hörte den Tumult bis ins Atrium (wörtl.: aus dem Atrium), kam herbei und erkannte hocherfreut den Sohn ihres Bruders; sie hieß die unerwarteten Gäste eintreten.
Aristoxenus gab ihr einen Brief seines Vaters, Chariclea las ihn, gab ihn dann dem Sklaven, der noch im Vestibül wartete, und befahl: "Nimm ihn und gib ihn morgen dem Herrn." Dann meinte sie zu Aristoxenus: "Du suchst deinen Bruder? Vielleicht weiß Fulvius das Versteck des Sokrates, ich weiß es nicht. Aber bitte, erzähle mir von deinem Vater, von deiner Mutter! Sind sie gesund?"
Als Aristoxenus das bestätigt hatte, sagte Chariclea zu Gaius: "Als Mädchen habe ich in Ephesos gelebt - und noch heute liebe ich meine Heimat Asia, jene blühenden Städte; obwohl ich schon lange in dieser Stadt hier lebe habe ich mich an die Römer nicht gewöhnt und auch nicht an die Stadt, die immer kochende und brausende, wo fast immer "der Lärm die Ohren sprengt", wie der Dichter Juvenal schrieb ..."
Gaius unterbrach Charicleas Rede: "Wir haben schon viel gehört über diese "kochende Stadt" von jenem Juvenal, den wir vor der Porta Ostiensis zufällig getroffen haben!"
Chariclea: "Was! Ihr habt wirklich ihn selbst gesehen? Er ist ein Dichter von überdurchschnittlicher Bildung; viele von seinen Satiren gefallen mir sehr, doch manche gefallen mir auch nicht. Ich glaube, nicht nur mir, sondern vielen gebildeten Frauen geht sehr gegen den Strich, was er über Frauen schrieb, die studieren oder bei Abendveranstaltungen sich wie die Männer unterhalten:
Die Literaturwissenschaftler gehen ein, die Rhetoren werden besiegt,
es schweigt der ganze Klub...
Doch davon genug. Sicher seid ihr müde und wollt euch Ruhe gönnen."
Sie rief nach einer Dienerin, diese brachte den Freunden, die schon mit Hunger und Durst kämpften, mit Wasser gemischten Wein, Brot, kleine Käse und Würste aus der Küche; dann bereitete sie ein Bad und zeigte ihnen die Schlafzimmer. Von Aristoxenus empfing sie erfreut ein kleines Trinkgeld und verschwand.