Itinera - Übersetzung Lektion 51

"Sicher weißt auch du, Gaius, das ich Kommandant eines kleinen Postens in der Provinz Syria nahe der Grenze zu den Parthern war und diesen Posten mit meinen Soldaten gemeinsam verlassen habe, entgegen dem Befehl unseres Proconsuls. Aber wir waren sehr wenige, und die Feinde griffen uns mit stärkster Macht an. Also, obwohl mir verboten war, zu weichen, zog ich mich zurück - was hätte ich tun sollen, außer mich zurückzuziehen? Ich wurde angeklagt, wie ihr wißt, und damit ich nicht vor Gericht geladen werde, tauchte ich unter, begab mich als erstes nach Rom zu Chariklea..."

Aristoxenus unterbrach seinen Bruder: "Deren Mann es übel genommen hat, daß du dich den Christen, den Feinden des Kaisers, angeschlossen hast!"

Sokrates: "Ich habe mich ihnen nicht angeschlossen, aber du hast rech: Sie sind dem Kaiser feindlich gesonnen, und deshalb halfen sie mir, als ich von Rom wieder weg mußte. Denn die Zeit bei Fulvius, dem ich ziemlich mißfallen habe, war äußerst unerquicklich. Er warf mir vor, daß ich die römischen Fahnen, die ihm selbst etwas Heiliges sind, verlassen hätte und desertiert sei. Aus diesem Grund tauchte ich erneut unter und verfügte mich hierher, gleichsam ans Ende der Welt ... Briefe traute ich mich weder dir noch den Eltern zu schreiben, aus Furcht, sie könnten abgefangen werden.

Hier hat mich ein Weinhändler zum Chef seines nicht gerade leichten, aber einträglichen Geschäftes gemacht, und ich führte etwa zwei Jahre ein erträgliches Leben; schließlich habe ich sogar ein wunderschönes Mädchen geheiratet. Sie stammt von Barbaren ab, aber ihre Bildung ist ganz unbarbarisch. Sie heißt Bissula! Ihr werdet sie gleich sehen...

Aber laßt euch von dem schwarzen Tag erzählen, den ich erlebt habe: Neulich, unvermutet, als ich in Gedanken durch die Stadt schritt, erkannte mich ein Soldat, der mit mir in Syria gewesen war, mitten auf dem Forum und schleppte mich zum Richter, weil ich desertiert war. Heute aber begab sich etwas Wunderbares und nie zu Erhoffendes: Als ich zum Gericht kam, wurde dem Praetor, der den Prozeß leitete, das neueste Gesetz des Hadrian betreffend die Amnestie für vergangene Straftaten übergeben! Er las es, schloß den Prozeß und schickte mich nach Hause."

Aristoxenus: "Danken wir den Göttern und genießen wir unser Glück!"

*

Gaius, der bis jetzt geschwiegen hatte, drängte sich dazwischen: "Lest", sagte er, "den Spruch, den ein Witzbold auf die Mauer dort geschrieben hat:

Bäder, Wein und Liebe zerrütten uns.
Aber aufleben lassen uns Bäder, Wein und Liebe.
Ich habe, glaube ich, einen Platz gefunden, wo ich leben möchte!"

Sokrates aber unterbrach Gaius, ein wenig ernsthafter, und sagte: "Ich werde bald mit Bissula und meinem Bruder nach Ephesos aufbrechen, das soll dir gut zustatten kommen: Irgendwer wird in dieser Stadt hier meine Pflichten übernehmen müssen. Es würde dir gefallen, sagst du, hier in Trier zu leben? Wenn du willst, instruiere ich dich und setzte dich auf meinen Posten."
Von diesen Worte begeistert, rief Gaius: "Hast du womöglich gefragt, ob ich will?"
"Gut, sehr gut!", lachte Sokrates. "Jetzt aber schnell zu meiner Bissula!

Eilt euch, beeilt euch, jetzt wird gefeiert!
Jetzt gilt's zu trinken,
jetzt mit vergnügtem Tanzbein
die Erde zu stampfen..."

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen