Itinera - Übersetzung Lektion 46

(1)
Als die Punier die Höhe der Berge und den sozusagen in den Himmel übergehenden Schnee aus der Nähe erblickten, wurden sie von Angst und Schrecken ergriffen. Die Soldaten schickten daher Sprecher zu Hannibal, die den Feldherrn bitten sollten, von seinem Vorhaben abzulassen und die Alpen, Berge, die dem Himmel und den Göttern nahe reichten, nicht zu übersteigen. Sie fügten hinzu: "Nahezu nackt sind die Gipfel, wie wir hörten, und was es an Weide gibt, bedeckt der Schnee."

Ihnen antwortete drauf Hannibal: "Mit Sicherheit berührt kein Land den Himmel! Berge und Schluchten, die für einzelne Menschen durchquerbar sind, sind auch für unser Heer nicht unbewältigbar. Oder glaubt ihr, daß diese Boten hier, die heute über die Alpen in unser Lager kamen, auf Flügeln die Alpen in der Luft überquert haben?

Mögen die Gipfel nackt sein - all unseren Bedarf werden wir mit uns tragen!"
Mit derartigen Reden erreichte er, daß die Soldaten ihre Furcht bleibenließen.

(2)
Als die Bergbewohner einen Paß mit einer gewaltigen Menschenmenge besetzt hatten, verdichtete Hannibal trotzdem seine Truppen und griff die Feinde an. Mit derartiger Kraft fiel er über die in der Kriegskunst Unerfahrenen her, daß die Älpler vom Paß vertrieben wurden. Von da an überfielen die Bergleute, eher in der Art von Straßenräuberei als von Krieg, bald die Vorhut, bald die Nachhut und fügten den Puniern großen Schaden zu. Die Elephanten aber waren, obwohl sie auf den engen und steilen Wegen nur mit großem Zeitverlust geführt werden konnten, den Puniern doch sehr nützlich, weil die Bergbewohner sich vor den Ungewohnten Tieren fürchteten.

(3)
Am neunten Tag gelangte man auf die Paßhöhe der Alpen. Zwei Tage wurde auf der Höhe gelagert, damit den von Anstrengung und Kampf erschöpften Soldaten Ruhe gegönnt werde.

Als dann die Signale ertönten und die Kolonne im ersten Morgenlicht losmarschierte, als Überdruß und Verzweiflung aus den Gesichtern aller sprachen, befahl Hannibal seinen Soldaten, auf einem bestimmten Bergspitz, von wo aus ein weiter und breiter Rundblick war, haltzumachen. Er zeigte ihnen Italien und die Fluren am Fuße der Alpen. Jetzt würden sie die Mauern nicht nur Italiens, sondern auch die der Stadt Rom übersteigen, versicherte er.

Der Zug begann dann weiterzurücken. Der Marsch war aber weitaus schwieriger als beim Anstieg, denn alle Wege waren steil, schneebedeckt, eng und rutschig, sodaß die Soldaten sich kaum vor Stürzen bewahren konnten, einer über den anderen fielen, und die Saumtiere auf die Menschen drauf fielen.

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