Itinera - Übersetzung Lektion 48

Der Händler: "Was soll ich tun? Ich treibe gerne Handel mit den Hermunduren, das ist ein Germanenstamm. Dieser Stamm ist den Römern treu, daher haben sie Handel nicht nur am Donauufer, wie die meisten Völker der Germanen, sondern auch hier tief im Hinterland in der reichen Provinz Raetia. Allenthalben kommen sie ohne Bewachung herüber; und während wir den anderen Stämmen nur unsere Waffen und unsere Festungen zeigen, haben wir diesen hier unsere Häuser und Villen geöffnet."

Aristoxenus: "Es ist doch sicherlich gefährlich, mit barbarischen Stämmen Handel zu treiben?"

Der Händler: "Das ist mein Geschäft. Durch Ein- und Verkauf verdiene ich mein Geld - indem ich Gefäße, Schmuck, Kleider verkaufe, Felle, Bernstein und blondes Haar einkaufe, manchmal auch Sklaven. Ich bin ein Händler, also habe ich zu handeln."

Aristoxenus: "Durch Kauf und Verkauf von Sklaven? Ist denn jetzt nicht Friede mit den Germanen?"

Der Händler: "Du wirst Germanen finden, die, um es so zu sagen, sich selbst in freiwillige Sklaverei begeben. Sie spielen nämlich mit derartiger Unvorsichtigkeit Würfel, daß sie, wenn alles futsch ist, mit einem letzten Wurf um ihre Freiehit und um ihre Person spielen! Der Besiegte geht in die Sklaverei un duldet es, daß er gebunden wird und zum Verkauf gelangt. Worüber staunt ihr? Verträge müssen gehalten werden - auch von Barbaren, die übermütig Würfel spielen!

Aber um dir ernsthafter zu antworten, Aristoxenus: Der Handel in diesem Gebiet ist sicher gelegentlich gefährlich, aber anders, als ihr euch vorstellt. Ich will ein Beispiel bringen: Da in Italien Mangel an Sklaven herrscht, reiste ich neulich in die Provinz Rätien um Sklaven zu kaufen - aber ich fand nicht einmal einen einzigen!"

Gaius: "...keinen, der sich beim Würfelspiel selbst verlor?"

Der Händler (lachend): "Genau! Um also nicht einen noch größeren Schaden zu erleiden, kaufte ich Schinken, die in Germanien wirklich vorzüglich sind. Als ich aber nach Italien zurückkam, waren, wo auch immer ich hinkam, die Märkte voll - mit Schinken! Man hätte meinen können, daß die Germanen ihre sämtlichen Schweine mit einem einzigen Hieb abgestochen hätten. Es war zum Verzweifeln! Aber ich sage immer: Nech einer schlechten Ernte muß man säen. Wie ihr seht, bin ich neuerlich aufgebrochen. Ich werde, wenn schon keine Sklaven, Bären oder andere wilde Tiere anschaffen, die das Volk braucht zur Veranstaltung von Spielen!"

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